" Während im Lande unserer Geburt die, welche unsere Schützer sein sollten, uns verfolgt, die welche unseren Wohlstand hätten heben sollen, uns beraubt und die, welche uns hätten verteidigen sollen, uns unterdrückt haben, hat uns dagegen seine Durchlaucht der Landgraf, um den wir es durch nichts verdient hatten, nicht nur in christlicher Liebe in seinen Staat aufgenommen, sondern er gibt uns auch Nahrung in unserer Not, kleidet uns in unserer Blöße und gewährt uns Schutz gegen unsere Feinde ... "
DAVID CLEMENT im Jahr 1704 [2] Waldenserpfarrer zu Hofgeismar
Meine französischen Vorfahren, die ab 1685 ihre Heimat wegen ihres evangelischen Glaubens verlassen mußten, ließen sich anfangs an drei Orten im kleinen Fürstentum des Landgrafen Carl von Hessen-Cassel nieder, auf dessen Einladung mit dem Angebot der Glaubensfreiheit sie und fast 4000 weiteren Réfugiés gekommen waren:
- in CASSEL ab 1686 - - in IMMENHAUSEN ab 1686 mit MARIENDORF ab 1686 - - in KELZE ab 1699 -
Andere meiner Hugenottenvorfahren flohen aus Savoyen-Piemont und fanden mütterlichen Schutz bei der Gräfin-Witwe & RegentinElisabeth-Charlotte von Nassau-Dillenburg
- in Holzappel-Charlottenberg mit DÖRNBERG & HORHAUSEN ab 1687 -
von wo aus sie sich unter die fürstliche Herrsachft des Grafen Ferdinand-Maximilian von Isenburg-Wächtersbach, der ihnen die Ansiedlung erlaubte, begaben:
1. Die Familie JULLIEN - JULIAN in Holzappel-Charlottenberg mit Dörnberg & Horhausen 1687-1702, in Waldensberg 1702-1782, in Mariendorf 1718-1820 und in Kelze 1750-1826
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die Familie JULLIEN wird erstmals 1718 mit der Heirat des Jean JULLIEN mit Marie THOULLOUSAN in Mariendorf genannt. Seine Herkunft & Abstammung konnte nach intensivsten Nachforschungen nach dreißig Jahren endlich eindeutig ermittelt werden. Im Sommer des Jahres 1687 fohen seine Eltern aus MENTOULLES in Piemont, heute in Italien gelegen, aber damals noch zum französischen Dau-phiné gehörig - Jean JULIAN mit seiner Frau Marie CONNTE, der kleinen Tochter Marie, der verwitweten Schwiegermutter CatherineCONTE geb. BONNET & deren beiden Kindern Suzanne & Estienne CONTE ins Deutsche Réfugié nach Schaumburg an der Lahn. Er siedelte 1702 mit seiner Familie nach Waldensberg um sein oben genannter Sohn Jean verheiratate sich nach Mariendorf.
Sein jüngster SohnJean aus erster Ehe mit Marie CONTE & dessen jüngster Sohn Jean starben beide bereits 1760, seine Witwe Marie THOLOZAN im Jahr 1767. Damit erlosch der Name sehr früh. Beider Tochter Madeleine PAIRAN geb. JULLIEN, die 1820 mit 91 Jahren vertarb, war die letzte Namensträgerin in Mariendorf.
Der schon 1763 in Kelze verstorbene Sohn Estienne JULLIEN heiratete im Jahr 1750 in Kelze Jeanne Louise, genannt Jeanette, GUIMINEL, die am 19. Mai 1798 im französischen Hospital in der Oberneustadt von Kassel verstarb. Von ihren acht Kindern verblieb nur die Tochter Marie Sophie JULLIEN in Kelze und heiratete dort 1791 den aus Hannoversch-Münden an der Weser stammenden Johann Peter RUDOLPH [meine Ururururgroßeltern]. Mit Marie Sophies Toterlosch der Name JULLIEN im Jahr 1826 in Kelze.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die Familie GUIMINEL wurde am 4. Juli 1699 in Grebenstein erstmals auf deutschem Boden genannt und sie ist seit dem 22. Nov. 1699 in Kelze nachweisbar ansässig. Sie stammt aus dem Marktstädtchen NYONS oder dessen nächster Umg-bung in den Barron- nies [Departement Drome] in der ehemaligen Kronprovinz Dauphinè in Süd-Ost-Frankreich. Sie waren sehr wahrscheinlich Ackerleute. Ihre Mitglieder haben sich durch Heirat, in Kassel und und in den Dörfern Gewissenruh und
Hofgeismar-Friedrichsdorf niedergelassen und sind heute dem Namen nach ausgestorben.
Daniel GUIMINELS Familie gehörte zu den Gründerfamilien von Kelze. Er war verheiratet mit Marguerite oder Madeleine FERAUD, die aber bereits zwischen 1687 & 1699 im schweizer Exil verstarb. Er und seine Kinder & Enkelkinder kamen mit der Hugenotten-Bri- gade des Pierre Maigre, die aus ca. 35 Familien [ 69 Männer und 82 Frauen] bestan [da- von 56 Personen aus dem Dauphinè], nach Hofgeismar. 1703 verstarb Daniel in Kelze im Alter von mit 68 Jahren.
Sein Sohn Osias [Josias, Hosias], noch um 1682 in Frankreich geboren, heiratete in ers- Hugenottenkirche in Kelze ter - Ehe im Jahr 1700 in Hofgeismar Lucrece GIRAUD aus DIE, die Witwe des Pierre GRAS. Aus der Ehe mit seiner zweiten Ehefrau Isabeau [Elisabeth]TOUSSAINT, die er 1707 in Kassel heiratete, stammte die Tochter Jeanne Louise GUIMINEL, die sich 1750 mit Estienne JULLIEN aus Mariendorf ver- heiratete. Die Familie GUIMINEL ist heute im Namen erloschen, hat aber in weitverzweigten Linien sehr viele Töchter-Nachkommen mit anderen Familiennamen hinterlassen.
3. Die Familie THOULLOUSAN [Toulousan - Tholozan] in Mariendorf 1687-1784
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Im Fühjahr 1686 kamen die Brüder Jean THOULLOUSAN [THOLOZAN] und Pierre THOULLOUSAN [THOLOZAN] sowie ihr Cousin Antoine THOULLOUSAN [THOLOZAN] nach Immenhausen:
■Jean THOULLOUSAN mit seiner Frau Anne GOUBAUD, seiner Mutter Marguerite BENOIT und der Tochter Marguerite
■Pierre THOULLOUSAN mit seiner Frau Suzanne CAFFAREL
■Antoine THOULLOUSAN mit seiner Frau Anne ROSTAN [der aber dann nicht mehr genannt wurde, vermutlich 1687 mit ihr über die Schweiz, er ist 1687 wieder in Schaffhausen, 1687/88 in Genf,vielleicht wieder zurück nach Frankreich ging].
Jean und Pierre waren die Söhne von Mathieu THOLOZAN, der noch in Frankreich starb und dessen Ehefrau Marguerite BENOIT. Antoine OO 20. Juli 1684 Vars Anne ROSTAN, [Tochter von Jacques Rostan(Sohn von Honorè Rostan) und der Anne Ferron];er war der Sohn von Paul THOLOZAN und ein entfernter Cousin von Jean und Pierrre.
Von Pierre THOLOZAN [+ 1715 in Mariendorf],stamme ich durch seine zweitälteste Tochter Marie THOULLOUSAN und ihren Ehe- mannJean JULLIEN [OO ... 1718] und über beider Sohn Estienne JULLIEN, der 1750 in Kelze Jeanne Louise GUIMINEL heiratete, ab.
Jean war einer der Conducteurs der Brigade Guillestre, die im Winter 1685/86 die hugenottischen Flüchtlingsfamilien über die franzö- sischen Alpen in die evangelischen Kantone der Schweiz und nach Hessen-Kassel führten. Diese 96 Personen aus Montoulles & Fenes- trelle etc. & Guillestre und Vars im Embrunais, einer Landschaft des Dauphiné,flohen
noch im Sommer & Frühherbst 1685 kurz vor der Aufhebung des Ediktes von Nantes am 18. Oktober über die Alpen nach Genf. Von dort zogen sie über Neuville, Neuchatel, Zürich, Basel, Schaffhausen, Stuttgart, Heildelberg weiter, bis sie am 16. März 1686 in Frankfurt an kamen, weiter über Marburg nach Kassel, wo sie am 22. März 1686 eintrafen.
Ihre neue Heimat Immenhausen erreichten sie kurz darauf. Am 30. März und 16. April 1686 wurden sie erstmals in den Verpflegungslisten dieser kleinen niederhessischen Stadt genannt. Ein Jahr später, zwischen dem 27.März und 8. April 1687, erfolgte ihre endgültige Umsiedlung nach der von Landgraf Carl neu gegründeten Kolonie Mariendorf, die er später dem Schutz seiner Ehefrau Maria Amalia, geb. Prinzessin Ketteler von von Kurland, unterstellte. Hugenottenkirche zu Mariendorf
Von Jean THOLOZANS Familie gibt es keine weiteren Spuren. Er scheint aber nach einem Kataster-Lageplan aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der wiederrum auf einer Vorlage aus der Zeit um 1691 beruht, um 1691 noch gelebt zu haben, denn einige Landparzellen sind dort auf seinen Namen eingetragen. Seine Witwe Anne GOUBAUD hat den Paul BABOT geheiratet, als dessen Witwe sie dann 1716 in Mariendorf verstarb.
Leider fehlen von der Hugenottenkolonie Mariendorf für die Zeitraum ab der Gründung in 1687 bis 1709 Kirchenbücher, so daß nur we- nige exakte Daten die Herkunft und Abstammung der Familie THOULLOSAN belgen. Diese beweisen aber, daßdie Familie aus der Ge- meinde VARS und aus dem Weiler St. Marcelin in der altfranzösischen Kronprovinz Dauphiné 3] stammten [südlich von Grenoble zur Grenze nach der Provence und Piemont in den Cottischen Alpen gelegen]. Als Beruf wird in französischen . Dokumenten oft "Mar- chand" [Kaufmann], "Artisan" [Handwerker] oder "Laboureur"[Baue, Landarbeiter] angegeben.
Weitere Mitglieder der protestantischen Zweige dieser uralten waldensischen Familie verließen Vars ab 1687 bis nach 1690 und fanden in Süddeutschland [Franken und Würtemberg], in Südhessen & sogar in Ostpreußen eine neue Heimat. Andere Familienzweige schwo- ren, wie gut 80 Prozent der aller französischen Protestanten [im Dauphinè sogar 95 Prozent bis Ende 1685], unter Zwang der Dragonaden von der calvinistischen Religion ab und unterwarfen sich entgültig der römischen Kirche, um sich weitere unnötige Quälereien durch den Staat des Sonnenkönigs zu ersparen.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------ Die Familie TOUSSAINT kam mit Pierre TOUSSAINT und seiner ersten Ehefrau Elisabeth REGNAULT aus Lorry dit le Pont bei Metz, in den Pays Mezinne im Herzogtum Lorraine [Lothringen] im Jahr 1686 nach Cassel. Pierre wurde am 17. Nov. 1652 in Lorry geboren und am 24. Nov. 1654 in Metz protestantisch getauft. Er starb zwischen 1716 und 1726 wahrscheinlich in Berlin.
Die Französische Oberneustadt, die Haute-Ville-Neuve in Cassel - mit dem Französischen Rathaus [mitte] und dem Hopital des Francois Réfugiés [mit dem Turm] - - nach einer Zeichnung um 1800 -
Elisabeth REGNAULT die Tochter von David REGNAULT und Suzanne SEPTSOLS, hat er um 1680 noch in Frankreich geheiratet, sie starb vermutlich schon um 1693 wie ihre Schwiegermutter in Kassel. Ihre Sterbedaten sind aber nicht zu finden. Um 1693 hat Pierre in zweiter Ehe eine Jeanne RENAUD und um 1698 in dritter Ehe eine Marie GUIN geheiratet, die 1716 noch lebte. Pierre TOUSSAINTs Ahnentafel geht zurück bis in die Anfänge der französischen Reformation in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Seine Tochter Elisabeth. aus erster Ehe, auch Isabeau genann & wohl noch um 1682 in Frankreich geboren, heiratet 1707 in Kassel denBauern & Witwer Osias GUIMINEL aus Kelze, der aus Nyons in den Barronies stammte [s. u. FamilienbuchGuiminel].
Die Haupt- & Residenzstadt der Landgrafen von Hessen - Cassel war im 18. Jh. eine der meist besuchten Städte des alten Europa.
Landgraf Carl [1670-1730] hatte westlich des alten Festungsgürtels im französischen Ba- rockstil der Hugenotten für diese eine neue Siedlung anlegen lassen - die
Haute - Ville - Neuve.
Leider ging dies architektonische Juwel der protestantischen Baukunst 1943 im Bomben- hagel des 2. Weltkriegs unter !
Plan der Residenzstadt CASSEL mit der Französichen Oberneustadt - Haute-Ville-Neuve - nach einem Stich aus dem 18. Jahrhundert -
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Quellen / Sources ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1] Die Flucht der Hugenotten aus Frankreich im Jahrhundert zuvor, während der französichen Religionskriege, nannte man das "Kleine Refuge", weil diese zahlenmäßig nicht so viele Menschen umfaßte! 2] aus der Predigt des Waldespfarrers David Clement zur Einweihung der Hugenottenkirche von Carlsdorf am 19. Oktober 1704. In: Desel, Jochen: Der Waldenserpfarrer David Clement. Geschichtsblätter des Deutschen Hugenotten-Vereins XVII. Zehnt.Heft 2, Ober- sickte/Braunschweig 1976. 3] das Dauphiné liegt in Ostfrankreich zwischen Rhone, Mont-Viso und Mont Ventoux zur Grenze nach Italien und umfaßt die Departe- ments [38] Isere, [26] Drome und [05] Hautes Alpes mit den Hauptstädten Grenoble, Valence und Gap. -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------